Nähe & Distanz
In den Zeiten der Coronakrise mit dem dauernden "Abstand halten" haben wir besonders gespürt, wie wichtig Nähe ist. Auch wenn es einem schlecht geht, wenn man sich krank fühlt. tut es gut, zu spüren, dass einem jemand nahe ist. Wenn wir jemand gern haben, möchten wir ihm nahe sein und die digitalen Möglichkeiten ersetzen die leibhaftige Nähe nur zum Teil. Wir wollen die / den andere/n nicht nur sehen, sondern auch spüren können. Es geht uns sowohl um die räumliche als auch um die emotionale Nähe.
Es geht um Zärtlichkeit, um Kuscheln, um Berührung und es geht um Vertrautheit, um gefühlte Gemeinsamkeit. Das gibt Geborgenheit, das fühlt sich gut an, das tröstet. Von dem lebt die Liebe und das braucht die Liebe, die Liebe zu Freunden, die Liebe zwischen Kindern und Eltern, auch zu Oma und Opa. Und besonders natürlich die Liebe zwischen Partnern.
Es ist gut, wenn wir in der Partnerschaft in vielen Dingen gleich ticken. Aber diese Sehnsucht nach Gemeinsamkeit und Nähe, die grundsätzlich bei allen Menschen da ist, ist doch zumeist unterschiedlich groß. Der eine braucht mehr Nähe, die andere weniger und zuweilen ist es so, dass dieses Bedürfnis nicht zur gleichen Zeit bei beiden gleich stark da ist. Das ist normal und nicht ein Zeichen von mangelnder Liebe und da heißt es, liebevoll und sensibel mit viel Verständnis mit dem Partner / der Partnerin und den eigenen Wünschen umzugehen.
Zu einer gut gelingenden Beziehung braucht es immer auch Distanz. Und das ist kein Zeichen von zu wenig, sondern von richtiger, stabiler Liebe. Auch das haben viele in der Coronakrise lernen müssen. Der Dichter Kahlil Gibran sagt: "Doch lasset Raum zwischen eurem Beieinandersein und lasset Wind und Himmel tanzen zwischen euch." Auch wenn das mit dem tanzenden Wind und Himmel zwar schön, aber nicht so einfach ist, so lebt die Liebe jedenfalls auch von "Zwischenräumen", dem hin und her zwischen den beiden Partnern.
In einer zu engen Wohnung, ohne Ausgangsmöglichkeiten, ununterbrochen beisammen sein zu müssen, das belastet uns, das belastet die Beziehung. Bei solcher Nähe kann es dem einen oder der anderen zu eng werden, ab und zu die Luft wegbleiben. Und wenn einem die Luft wegbleibt oder wenn einem der oder die andere trotz aller Liebe auf die Nerven geht, kann es auch manchmal zu Ausbrüchen kommen, zu verbalen aber auch zu gewalttätigen. Das darf nicht sein. Übergriffig zu werden muss man auf jeden Fall vermeiden. Da könnten Wunden geschlagen werden, körperliche wie seelische, die schwer bis gar nicht mehr heilen können.
Bevor es so weit kommt, muss man sich Möglichkeiten der Distanz suchen, der inneren, aber auch der äußeren und das mit dem Partner /.der Partnerin besprechen, der / die dieses Bedürfnis vom jeweils anderen respektieren muss. Manchmal braucht es eine Zeit ganz für mich. Eine Zeit für mich möglicherweise auch mit räumlichem Abstand. Schon ein Spaziergang allein, ein frische Luft schnappen kann beruhigen und Atem holen lassen und ein entspannteres aufeinander zu gehen ermöglichen. Denn die Liebe braucht eben Nähe und Distanz.